Freitag, 30. Oktober 2020

Schmetterlinge



Nicht...lachen. Nicht...lachen." Angestrengt saß ich in der vollen U-Bahn und versuchte den Typen auszublenden der, scheinbar besoffen, sehr angeregt mit seinem Spiegelbild diskutierte. "Nicht lachen". Alles in meinem Körper verkrampfte sich bei dem Gedanken an die Schmerzen, die es in mir auslösen würde, wenn ich diesem Impuls nachgäbe. Denn jedes Mal wenn ich lachen musste, überrollten mich wogende Wellen von Schmerzen, am ganzen Leib. Und zwar NUR wenn ich lachte. So war es schon seit Wochen. Die Ärzte wussten nicht was los war und hielten mich für kerngesund. Sie schoben es auf meine, ohnehin schon angeschlagene, Psyche und überwiesen mich zu einem Psychiater. Ich ging nicht hin. Das war schließlich keine Kopfsache. Der Schmerz war echt! Und er wurde von Mal zu Mal schlimmer. Anfangs war es nur ein leichtes brennen auf der Haut, welches ich noch mit Humor nahm. Denn seit ich denken kann, sagte meine Mom jedes Mal, wenn es etwas zu lachen gab, ich würde lachen wie der Sonnenstrahl. Da war es doch blanke Ironie, dass genau dieses Lachen, auf meiner Haut schmerzte wie ein Sonnenbrand. Inzwischen aber, fühlte es sich bei jedem Lachen so an, als ob Muskeln und Sehnen im Innern, von Rasierklingen zerrissen würden. Die Angst davor, einfach mal loszulachen stieg ins Unermessliche. Auch an Arbeit war so nicht mehr zu denken. Meine Forschungen in der Lepidopterologie, oder Schmetterlingskunde, mussten wohl oder übel erstmal warten. Genauso wie meine kleinen Lieblinge dort. "Nicht lachen!" Musste ich mir erneut ins Gedächtnis rufen, als der Spiegeltyp, wild gestikulierend, auf den Boden plumpste, danach so tat als wär nichts gewesen und seine Unterhaltung mit sich selbst fortsetzte. Ich liebte Schadenfreude und schwarzen Humor. Hatte sogar teilweise richtig bösen. Und so musste ich mich stark zusammen reißen, um nicht mit den anderen mitzulachen. Doch ein kleines Kichern kam mir dennoch über die Lippen. Sofort hüllte mich ein Schub unvorstellbarer Schmerzen ein und ich schrie so laut auf, dass ich fast das Bewusstsein verloren hätte. Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich in die vielen entsetzten Gesichter der anderen Fahrgäste, die mich ansahen, als ob sie einen Geist gesehen hätten. Einer von ihnen, ein Mann mittleren Alters, kam zu mir und ich hörte nur seine sehr entfernt und dumpf klingende Stimme fragen, ob alles okay wäre. Er zeigte auf mein Gesicht und mein Shirt und erst da fiel mir auf, dass mir die Nase bluten musste. Denn mein Oberteil war schon ganz rot vor Blut. Während mir der freundliche Herr ein Taschentuch reichte, hörte ich, weiterhin mehr schlecht als recht, wie er den anderen berichtete, dass auch meine Augen rot, oder blutig seien. Als ich dann noch glaubte, dass Wort Krankenwagen vernommen zu haben, stammelte ich laut, dass ich keinen Krankenwagen bräuchte. Das es etwas Chronisches sei. An der nächsten Haltestelle verließ ich wackelig den Wagon. Vorbei an den mitleidig drein blickenden Menschen und dem Selbstunterhalter, dem es wohl die Sprache verschlagen hatte. Eigentlich hätte ich noch eine Station weiter fahren müssen, aber ich wollte einfach da raus. Nur jetzt durfte ich den Rest nach Hause laufen. Humpelnd und zittrig, machte ich mich auf den Weg. Etwa auf halber Strecke fing es leicht zu regnen an und ich ertappte mich dabei wie ich mir dachte, dass es auch schlimmer hätte kommen können und schon wenige Minuten später hasste ich mich dafür, recht zu haben. Drei junge Männer, ihrem Aussehen und Verhalten nach zu urteilen eher aus dem rechten Spektrum, nähern sich mir zügig und begannen auf mich einzureden, warum ich denn humpeln würde und ob ich nicht wisse, dass für Krüppel und Schwache kein Platz sei in dieser Welt. Ich versuche sie zu ignorieren, was sie nur noch munterer machte. Wie Wespen umkreisten sie mich und wollten mich provozieren. Doch als sie sahen, dass ich nicht drauf einging, verloren sie die Geduld und warfen mich zu Boden. Während sie nun munter auf mich eintraten, kam mir der Gedanke, dass dieser Schmerz hier, NICHTS ist, im Vergleich zu den Qualen die ich beim Lachen aushalten musste. Inmitten dieser Ironie, hielt ich es nicht mehr aus und fing an, laut und ungehemmt zu lachen. Nicht einmal die unbeschreiblich grausamen Schmerzen, das Platzen der Haut oder das Knacken der Knochen ließen es verstummen. Das, mit meinem Gelächter, aus mir heraussprudelnde Blut, vernebelte mir die Sicht und mir wurde erst rot, dann schwarz vor Augen. Und das Letzte, was ich noch hören konnte, waren die Schreie der drei anderen. Am nächsten Tag, fand man dort nur noch vier Leichen. 

Wie ich euch das alles hier dennoch erzählen kann?
Nun. Sagen wir mal so. Manche Wesen, müssen erst einmal ihren Kokon verlassen, um etwas.. Größeres zu werden.
Und Lachen.. ist befreiend...







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