Mittwoch, 3. April 2019

Fühlen

(Diese Creepypasta kann Spuren von "Cookies" enthalten und habe ich exklusiv für SeelenSplitter geschrieben und gibt es somit auch in vertonter Form auf ihrem Kanal unter: https://youtu.be/2DtxSysCFmU  😸👍)

Ähm... Hallo. Wir haben heute den dritten März. Meine Freundin Nina hat mir geraten, wegen meiner Depressionen, eine Art Audio Tagebuch zu führen und mir dieses Diktiergerät gegeben.
Zum einen, weil sie genau weiß, dass ich zu faul zum Schreiben bin und zum anderen, um... Naja... Um eventuelle Störgeräusche zu empfangen. Mein Vater ist vor zwei Wochen verstorben und wir hoffen, vielleicht so noch irgendwie mit ihm in Kontakt treten zu können.
Nina und ich haben das mal in ein paar Videos und Filmen gesehen. Das ist wirklich interessant. White Noise Phänomen nennt man das. Oder zu Deutsch weißes Rauschen. Es beschreibt unerklärliche Geräusche auf Tonbandaufnahmen und wir glauben wirklich das man so vielleicht mit den verstorbenen noch Kontakt aufnehmen kann. Aber in erster Linie soll mir das hier einfach nur helfen, mit mir und dem Verlust klarzukommen. Es ist ein Versuch wert. Ich habe mir die nächsten zwei Wochen noch Urlaub genommen, weil ich mich derzeit eh nicht auf die Arbeit konzentrieren kann. Habe also Zeit mich auf sowas einzulassen.
---------------------------
Huhu. Vierter März. Ich hab mir Gedanken gemacht, was ich heut sagen soll. Vielleicht fang ich einfach mal mit dem an, was mich so belastet...
Also gut. Mein Vater ist gestorben. Es war kein schöner Anblick. Man hatte mich ins Krankenhaus gerufen, als er mit schweren Verbrennungen dort eingeliefert wurde. Seit Mutters Tod war ich als sein Notfallkontakt gelistet. Er hatte Verbrennungen dritten, teilweise sogar vierten Grades. Und das über weite Teile des Körpers verteilt. Entgegen der Prognose der Ärzte schaffte er es sogar bei Bewusstsein zu bleiben, bis ich da war. Ich hätte ihn am liebsten in den Arm genommen und ihm gesagt, dass alles gut wird. Doch ich konnte nicht. Dieser Anblick... Er war einfach zu viel für mich. Außerdem wollte ich ihm nicht weh tun, wobei die Ärzte mir versichert haben, dass er das eh nicht spüren würde, da seine Nervenenden alle bereits, durch die stärke der Verbrennungen tot seien. Aber ganz ehrlich... Und es tut mir leid, aber es war mir auch zu ekelig. Ich weiß ich bin eine schreckliche Tochter. Er hält durch, bis ich da bin und ich... Ich mache nichts.
So oft hat er mich in den Arm genommen, wenn es mir schlecht ging. Und in diesem Moment, tat ich es nicht... Ich wünschte so sehr, die Zeit zurückschrauben zu können, um mich zu überwinden ihn ein letztes Mal in den Arm zu nehmen. Für ihn da zu sein. So wie er immer für mich da war.
Das macht mich so dermaßen fertig. Wie konnte ich nur so zu ihm sein? Ich mach Schluss für heut...
---------------------------
Sechster März. Ja ich weiß. Ich hab gestern nichts aufgenommen. Ich hatte eine Downphase und einfach keine Lust dazu. Aber heute geht es wieder. Das hab ich wohl Nina zu verdanken. Sie ist wirklich meine beste Freundin, was wohl auch daher kommt, dass wir auf der selben Wellenlänge liegen und das nicht zuletzt, weil wir uns beide für Paranormales Zeug interessieren. Nicht so wie Chris, mein Freund. Der kann mit alldem einfach nichts anfangen. Und er versteht auch nicht, warum mich das alles so belastet. Ich glaube das mein Dad noch da ist. Und das er noch nicht gehen kann, solange ich noch nicht damit abgeschlossen habe. Chris hält das für Schwachsinn. Aber Nina nicht. Sie rief mich heute an und sagte mir, sie hätte im Netz ein neues Ritual gefunden, dass mich interessieren könnte. Genaueres wollte sie mir noch nicht sagen. Ich bin gespannt. Wir haben uns für morgen verabredet.

---------------------------

Okay. Das war interessant. Ach ja, siebter März. Aber wie gesagt, das war interessant. Nina hatte auf einer Website ein Voodoo Ritual entdeckt, welches die eigene Wahrnehmung so stark anregen soll, dass man die Anwesenheit von Geistern SOGAR spüren kann! Als sie sagte, dass ich auf diese weise vielleicht doch noch mal meinen Dad in die Arme schließen könnte, hatte sie mich. Für das Ritual brauchen wir ein paar Zutaten, die gemeinsam verbrannt werden müssen, um den entstehenden Rauch zu inhalieren. Riskant, ich weiß, aber ich muss es einfach ausprobieren. Das bin ich meinem Vater schuldig. Wir haben auf jeden Fall die nötigen Dinge im Internet gefunden und bestellt. Sie sollten in zwei bis drei Tagen hier eintreffen. Ich bin nervös. Ich glaube, ich höre mir morgen schon mal die letzten Aufnahmen an. Vielleicht kann ich ja schon irgendwas Außergewöhnliches entdecken.

---------------------------

Achter März. Heut ist ein scheiß Tag. In den Aufnahmen der letzten Tage konnte ich nichts unerklärliches feststellen. Leider. Und aus Frust hab ich mich auch noch mit Chris gestritten. Er kann einfach nicht verstehen, warum ich nicht so einfach loslassen kann. Wie auch. Er hat noch nie einen Todesfall erfahren. Und auch sonst ist er nicht der Typ für spirituelles oder Gefühlsduseleien.
Ich hab ihm auf jeden Fall nichts von unseren Plänen und dem Ritual erzählt. Er würde es nicht gut finden und versuchen es mir auszureden. Schade eigentlich. Ich hätte ihn gern dabei.
---------------------------

Wir haben heut den.... Neunten März. Die Pakete sind noch nicht eingetroffen. Hoffentlich kommen sie morgen. Nina und ich haben heute schon mal die Feuerschale in ihrem Garten vorbereitet. Wir werden das Ritual wohl dort durchführen. Ich hoffe wir tun das richtige. Es könnte auch sein, dass das alles nur Fake ist. Ein Internet Troll der sich mit der Veröffentlichung eines falschen Rituals einen perversen Spaß erlaubt. Oder vielleicht ist es sogar gefährlich und schädlich. Die Nervosität steigt.

---------------------------

Zehnter März. Nachdem alle Zutaten heute angekommen sind, habe ich keine Sekunde gewartet und bin sofort damit zu Nina gefahren. Nur um dort festzustellen, dass eine Sache doch noch fehlt. So ein Mist. Also bin ich wieder nach Hause gefahren, nachdem wir uns noch ein bisschen unterhalten hatten.
Zuhause hat Chris schon auf mich gewartet. Er überraschte mich mit einer Rose und meinem Lieblingsgericht zu unserem Jahrestag, den ich leider bei all den Gedanken im Kopf vergessen hatte. Das schien ihm anfangs nicht viel auszumachen. Das änderte sich allerdings, als ich später seine Annäherungsversuche abblockte und ihm sagte, dass ich nicht in Stimmung für Zweisamkeit bin und lieber heut Abend allein wäre. Ich mein, ich liebe ihn, ich liebe ihn wirklich, aber meine gesamte Kraft und alle Gedanken fließen gerade in das bevorstehende Ritual. Ich hoffe er beruhigt sich wieder. Ich mache es wieder gut, sobald ich kann. Versprochen.

---------------------------

Elfter März. Chris scheint immer noch beleidigt. Ich hab das als Vorwand genommen, um mit dem letzten Päckchen, welches heute angekommen ist, zu Nina zu fahren. Wir haben uns an das Mischungsverhältnis aus der Anleitung haargenau gehalten und alles so gemacht wie es dort geschrieben stand. Doch außer einem kräftigem Husten nach dem Inhalieren, ist leider nichts passiert. Enttäuschend. Nina will weiter schauen, ob es noch was anderes gibt. Es ist so schade. Ich hab echt gehofft, dass an diesem Ritual was dran ist. Das ganze Prozedere und die Zutaten wirkten so... Authentisch. Und billig war es auch nicht gewesen. Egal. Es muss doch einen Weg geben. Die Aufnahmen haben auch noch nichts ergeben. Papa... Hörst du mich? Gib mir doch ein Zeichen...

---------------------------

Heute haben wir den zwölften März und irgendwas ist anders. Also entweder ist es Zufall, Einbildung, oder das Ritual hat doch ein Stück weit funktioniert. Meine Haut fühlt sich... komisch an. Sensibler. Ich hab das Gefühl, selbst kleinste Konturen und Unebenheiten viel intensiver Spüren zu können. Sollte das wirklich mit dem Ritus zu tun haben, ist das zwar nicht ganz das Ergebnis, welches wir damit erhofft haben, geht aber schon in die richtige Richtung. Nina und ich haben heute den ganzen Tag versucht herauszufinden, wie stark dieser Effekt bei mir wirkt und es schien sich ununterbrochen weiterzuentwickeln. Ich kann nicht nur alles besser und intensiver spüren, sondern fühle am gesamten Körper alles zehnmal so stark. Ich bin gespannt, wohin das noch führt. Vielleicht kann ich ja doch bald den Geist meines Vaters nochmal in die Arme schließen. Ich wünsche es mir so sehr.

---------------------------

Dreizehnter März. Ich weiß gar nicht, ob ich auf Tonband darüber reden sollte, aber Wow!
Als Chris gestern Abend nach der Arbeit nach Hause kam und mich zur Begrüßung küsste, fühlte sich auch der Kuss um ein vielfaches intensiver an. Mein gesamter Körper kribbelte extrem und... Naja was soll ich sagen, wir hatten Sex. Das erste Mal seit Wochen. Und es war unglaublich. Jede Berührung, jeder Kuss war einfach ekstatisch. Es war überwältigend ihn so spüren zu können. Seine Hände, die mich überall streichelten und berührten brachten mich fast um den Verstand. Sogar seinen Atem konnte ich überdeutlich auf meiner Haut wahrnehmen. Ich kann mich nicht erinnern jemals so viel Leidenschaft gespürt zu haben.
Doch ich muss ehrlich sagen, ob ich das heute wiederholen möchte weiß ich noch nicht. Meine Empfindlichkeit ist bis jetzt immer noch weiter gestiegen. Momentan empfinde ich jede Bewegung eher als störend. Ich frag mich, wohin das noch führt.

---------------------------

Heute haben wir den vierzehnten? Keine Ahnung. Mir fällt das Konzentrieren grade schwer, weil mir einfach alles weh tut. Meine Haut ist inzwischen so empfindlich, dass ich gerade im Moment nicht mal Klamotten tragen will, weil mich die Reibung fertig macht. Und selbst einfache Dinge, wie dieses Diktiergerät hier zu halten, fühlt sich schmerzhaft an. Nina hab ich auch für heute abgesagt. Ich kann sie ja unmöglich nackt hereinlassen. Außerdem will ich mich gerade einfach nur verkriechen, bis es wieder besser wird. Chris ist zu seinen Eltern gefahren. Er wird dort ein paar Tage bleiben. Es fällt ihm schwer mit der Situation umzugehen, sagt er. Aber ich habe gerade auch keine Lust mit ihm darüber zu diskutieren.

---------------------------

Ich hab mich heute, wir haben den fünfzehnten März, doch mal aufgerafft zum Arzt zu gehen. Die Schmerzen die mir die Kleidung und jeder Schritt dabei verursacht hat, war zwar fast unerträglich, aber es wird immer schlimmer und ich wollte wissen, was ich dagegen tun kann. Da ich mich allerdings nicht getraut habe, ihm von dem Ritual zu erzählen und ich keine sichtbaren Symptome aufzuweisen hatte, konnte er nicht wirklich viel für mich tun, außer mich krankzuschreiben und mir ein Rezept für stärkere Schmerzmittel mitzugeben. Ich musste im Treppenhaus mehrfach anhalten, weil das Scheuern der Klamotten mich fast um den Verstand gebracht hat. Auch auf dem Heimweg musste ich gleich mehrere Pausen einlegen. Ich habe die Zeiten genutzt um mit dem Handy etwas im Internet zu recherchieren. Nichts. Scheinbar hat niemand jemals dieses Ritual ausprobiert. Selbst auf der Seite wo das Ritual veröffentlicht ist, gibt es keinerlei Beiträge.  Was ein scheiß Tag.

---------------------------

Sechzehnter März. Nina macht sich Sorgen. Im Gegensatz zu Chris. Sie steht heute schon fünfzehn Mal im Display. Aber ich hab keine Lust ans Telefon zu gehen. Ich habe heute einen riesigen schrecken bekommen, als eine klitzekleine Fliege auf meinem Arm gelandet ist. Es war so deutlich und tat so weh, das ich aufgesprungen bin und mich am Tisch gestoßen habe. Obwohl ich nur mit dem Bein dagegen geknallt bin, hat mich der Zusammenstoß mit Tisch so schmerzhaft getroffen, dass ich für fast drei Stunden das Bewusstsein verloren habe... Seit ich wieder zu mir gekommen bin, spüre ich ein Kribbeln am ganzen Körper. Ich würde das Gefühl gerne abwaschen. Aber ich habe Angst, was das Wasser mit mir und meiner Haut macht. Ich denke, ich nehme noch mehr Schmerzmittel und werde versuchen etwas zu schlafen.

---------------------------

Siebzehnter März...
Ich glaube... ich werde wahnsinnig... Meine ganze Haut fühlt sich an... als ob unzählige kleine Tierchen sich darauf tummeln... Sich in meinem Körper reinfressen... Sich in mich eingraben... Als wenn ich alle Bakterien und sonstige Partikel spüren könnte... Ich halte das nicht länger aus... Ich kann nicht mehr... Will nicht mehr... Ich werde das jetzt und hier beenden... Papa... Nun können wir uns vielleicht... doch noch in die Arme schließen.......






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen